Stellungnahme des Vorstands der Österreichischen Multiple Sklerose Gesellschaft (ÖMSG)

Neue Medikamente zur Behandlung der Multiplen Sklerose (MS) – Besorgnis bezüglich Verfügbarkeit für österreichische MS-Betroffene

Der Fortschritt im Bereich der Multiplen Sklerose (MS) entwickelt sich auf Grund enormer Forschungsanstrengungen auf diesem Gebiet äußerst rasch. Dank dieser positiven Entwicklungen stehen mittlerweile eine Vielzahl von Medikamenten zur Verbesserung des Krankheitsverlaufes und der krankheitsbedingten Einschränkungen zur Verfügung. Es muss festgehalten werden, dass dieser Fortschritt insbesondere seit den 1990er dazu geführt hat, dass sich die Situation für einen Großteil der etwa 12.500 MS-Betroffenen in Österreich dank der Verfügbarkeit der neuen und sicherlich auch sehr teuren Medikamente deutlich verbessert hat.

Allerdings betrachtet der Vorstand der ÖMSG die Entwicklung in jüngster Vergangenheit bezüglich der Kostenübernahme der MS-spezifischen neuen Medikamente mit großer Sorge:

So wurden in den vergangenen Jahren zunächst vom Hauptverband der Österreichischen Sozialversicherungsträger nach Zulassung durch die Europäische Arzeimittelbehörde (EMA) mit Fampridin (Fampyra®) und Nabiximols (Sativex®) zwei Präparate aus der symptomatischen Therapie in die sogenannten „No Box“ des Erstattungskodex eingeordnet. Dadurch gestaltet sich die Kostenerstattung für den/die einzelne/n Betroffene/n als sehr schwierig und aufwändig. Vor kurzem wurde nun erstmalig mit Daclizumab (Zinbryta®) ein Medikament aus der Gruppe der verlaufsbeeinflussenden Therapie ebenfalls ein in der Europäischen Union (EU) durch die EMA zugelassenes Medikament in die „No Box“ eingruppiert. Außerdem wurde zuvor Alemtuzumab (Lemtrada®) als Krankenhausmedikament eingruppiert, was sicherlich aus medizinischen Gründen nachvollziehbar ist. Allerdings bedeutet dies ohne die Aufnahme in das sogenannte LKF-System, dass die Spitäler de facto keine adäquate Kostenrückerstattung für dieses sehr teure Medikament erhalten.

Dadurch ist auf Grund von regulatorischen Besonderheiten die breite Verwendung dieser vier Medikamente in Österreich hochgradig eingeschränkt, was sich unter anderem auch durch die Verordnungszahlen der jeweiligen Medikamente im Vergleich zu anderen westeuropäischen Ländern belegen lässt. Damit besteht schon jetzt eine Benachteiligung der österreichischen MS-Betroffenen in der medikamentösen Versorgung, da ihnen der breite und adäquate Zugang zu den neuen innovativen Medikamenten zumeist verwehrt bleibt.

Sollte sich die dargestellte Entwicklung der letzten Jahre auch in Zukunft fortsetzen, ist vor dem Hintergrund der Tatsache, dass in den nächsten Monaten und Jahren voraussichtlich weitere innovative, aber auch hochpreisige Medikamente durch die EMA zugelassen werden, von einer weitergehenden Benachteiligung der österreichischen MS-Betroffenen im Vergleich zu anderen europäischen Ländern auszugehen. Zu befürchten ist sogar, dass die österreichischen MS-Betroffenen durch die aktuellen regulatorischen Entwicklungen vom Zugang zu den modernen Medikamenten weitgehend ausgeschlossen werden.

Daher appelliert der Vorstand der ÖMSG dringend an alle Verantwortlichen sowohl im Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger als auch an die EntscheidungsträgerInnen der Herstellerfirmen der neuen Medikamente, die insbesondere aufgefordert werden, eine ethisch vertretbare Preisfindung für diese Präparate zu unterstützen, sowie an die ärztlichen KollegInnen gemeinsam alle Anstrengungen zu unternehmen, dass in Zukunft die österreichischen MS-Betroffenen weiterhin vom sich so rasant entwickelnden medizinischen Fortschritt auf dem Gebiet der MS profitieren können.

Priv.-Doz. Dr. Jörg Kraus, Präsident

im Namen des Vorstands der ÖMSG (einstimmiger Vorstandsbeschluss am 6.10. 2017)

ergeht per E-Mail an:

  • Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger
  • Bundesministerium für Gesundheit und Frauen
  • Herstellerfirmen der im Text genannten Medikamente
  • Herstellerfirmen von für die MS-Therapie zugelassenen Medikamenten