Aus der Forschung: Remyelinisierungs-Therapie

Forscherinnen und Forscher arbeiten daran, Medikamente zur Verbesserung der körpereigenen Myelinreparaturmechanismen zu entwickeln.

Symbolbild Forschung im Labor: Person mit Handschuh hält Kunststoffgefäß mit Flüssigkeit, Credit: Drew Hays, Unsplash

In einer Studie wurde der Therapieansatz „Remyelinisierung“ zur Behandlung von Multipler Sklerose (MS) untersucht. Konkret wurden in der im Fachmagazin The Lancet Neurology veröffentlichten klinischen Phase-2-Studie die Sicherheit und Wirksamkeit des Antikörpers Opicinumab getestet.

Bei Menschen mit MS greift das Immunsystem die Myelinscheiden an Nervenfasern im Gehirn und Rückenmark an und schädigt diese. Der menschliche Körper ist in begrenztem Ausmaß in der Lage, diese Schäden zu reparieren – meist jedoch nicht dauerhaft.

Die Remyelinisierung ist ein Vorgang, mit dem versucht wird, die Schichten der Nervenfasern mit Myelin zu überziehen und dadurch jene Schäden, die durch MS entstanden, zu reparieren.

Mit einem neuen Ansatz versuchen Forschende, einen möglichen Weg zur Umkehrung einiger MS-bedingter Schädigungen zu finden: Sie entwickeln Medikamente, die zur Verbesserung körpereigener Myelinreparatur-Mechanismen beitragen.

Eine dieser möglichen Behandlungsmöglichkeiten ist Opicinumab, ein gentechnisch veränderter Antikörper, der das Immunsystem dazu bringt, bestimmte Proteine aus dem Körper zu entfernen, indem dieser spezifisch auf das Protein Lingo-1 abzielt. Das im Gehirn vorkommende Lingo-1-Protein bremst jene Zellen, die Nervenzellen mit Myelin überziehen. Die Forschenden gehen davon aus, dass durch das Entfernen dieser „Bremse“ an diesen Zellen die Reparatur des geschädigten Myelins im Gehirn von MS-Betroffenen repariert wird.

Mit früheren präklinischen Studien konnte gezeigt werden, dass die Blockierung des Proteins LINGO-1 mit dem experimentellen monoklonalen Antikörper BIIB033 (Anti-LINGO-1 monoklonaler Antikörper) die natürlichen Myelinreparaturprozesse fördert und die MS-ähnlichen Symptome in Labormodellen von MS verringert werden konnten.

Der nächste Schritt war eine 2014 veröffentlichte klinische Phase-1-Studie, in der die Sicherheit und Verträglichkeit verschiedener Dosen des Antikörpers bei gesunden Studienteilnehmenden und jenen mit rezidivierender remittierender (RRMS) und sekundär progredienter MS (SPMS) getestet wurde. In dieser Studie wurden positive Ergebnisse erzielt, die in weiterer Folge zu einer klinischen Phase-2-Studie führten, in der die Sicherheit und Wirksamkeit des Antikörpers Opicinumab bei RRMS-Betroffenen getestet wurde.

Die Studie

Die im Juli 2019 veröffentlichte SYNERGY-Studie ist eine der ersten, die sich mit Remyelinisierung zur Behandlung der MS beschäftigt haben, weitere Studien sind in Planung. Auch wenn die Studie nicht die erwarteten Antworten der Forschenden lieferte, gab sie Einblicke in die Remyelinisierung und lieferte mehr Möglichkeiten zum Testen – einschließlich Informationen über Untergruppen von Menschen mit MS, die von diesem Medikament profitieren könnten.

Diese Studie hebt laut der Multiple Sclerosis International Federation den schwierigen Weg hervor, den neuartige Behandlungen –  insbesondere neue Behandlungsklassen – beschreiten müssen. Die Forschenden betonen, dass jede neue Information dazu beiträgt, bessere Studien zu entwerfen. Dies ist vor allem im Bereich der Remyelinisierung von Bedeutung, da es mehrere vielversprechende Therapien gibt, die in die klinische Studienphase eintreten.

Diego Cadavid, Michelle Mellion, Raymond Hupperts, Keith R Edwards, Peter A Calabresi, Jelena Drulović: Safety and efficacy of opicinumab in patients with relapsing multiple sclerosis (SYNERGY): a randomised, placebo-controlled, phase 2 trial. Published: July 05, 2019; DOI: https://doi.org/10.1016/S1474-4422(19)30137-1
Quelle: Multiple Sclerosis International Federation