Die erste Impfung gegen das neuartige Corona-Virus

von Univ. Prof. Dr. Barbara Kornek

Seit einem knappen Jahr bestimmt das neuartige Corona-Virus unseren Alltag. Kaum ein Bereich, der nicht betroffen ist: Berufsleben, Schule, Kontakte mit Familie und Freunden, aber auch ganz besonders unser Gesundheitssystem. Auch wenn MS Betroffene per se kein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf einer Covid-19 Infektion haben, kann bei Personen mit verminderter Bewegungsfähigkeit (Rollstuhl, Bettlägrigkeit), höherem Alter oder unter einer Therapie, die das Immunsystem beeinflusst, eine Virusinfektion schwerer verlaufen.

Zulassung des ersten Corona-Impfstoffes im Dezember

Nun steht der erste Impfstoff gegen das neuartige Corona-Virus vor der Tür. Die amerikanische Arzneimittelbehörde FDA hat im Dezember zwei Impfstoffe zugelassen. Die Zulassung in Europa über die europäische Arzneimittelbehörde EMA wird für den 21.12. erwartet. Beide Impfstoffe sind sogenannte mRNA Impfstoffe. Hierbei werden Viruspartikel, die den Bauplan für einige Virusproteine wie zB das Spike-Protein enthalten, in die Zelle eingeschleust. Die mRNA wird in einen „Schutzmantel“ verpackt, sodass sie besser in die Zelle eindringen kann. Die Wirtszelle baut Teile dieser Virusproteine nach und präsentiert sie an ihrer Oberfläche, sodass das körpereigene Immunsystem Abwehrstoffe gegen das Virus bilden kann. Der Impfstoff greift nicht in den Zellkern, der die genetische Information trägt, ein, sodass die Erbsubstanz des Geimpften nicht verändert wird.

Covid-19 Impfstoffe

Abbildung 1: Darstellung der verschiedenen Impfstoffe gegen Covid-19. Quelle: https://www.vfa.de/

Sicherheit und Wirksamkeit der Corona-Impfung

In der Zulassungsstudie des ersten Corona-Impfstoffes von Pfizer/Biontech (BNT162b2) wurden mehr als 43.000 Teilnehmer eingeschlossen, die Hälfte erhielt den wirksamen Impfstoff, die andere Hälfte erhielt eine Impfung ohne Wirkstoff (Plazebo). 42% der Studienteilnehmer waren über 55 Jahre alt, 35% waren übergewichtig und 21% hatten zumindest eine Begleiterkrankung. Die Impfung (2 Impfungen im Abstand von drei Wochen) führte zu einem 95%igen Schutz vor einer Ansteckung mit dem SARS-CoV2 Virus. Es konnte gezeigt werden, dass die Impfung auch bei Menschen mit höherem Lebensalter, Übergewicht oder einer Begleiterkrankung wie zB Diabetes wirksam ist.

Der Beobachtungszeitraum betrug 2 Monate nach der letzten Impfung. Die häufigsten Nebenwirkungen waren Schmerzen, Rötungen oder Schwellungen an der Einstichstelle, die mild bis mäßig waren und sich nach 1-2 Tagen zurückbildeten. Bei etwa der Hälfte der Geimpften traten Fieber, Müdigkeit und/oder Kopfschmerzen auf. Generell wurden die Nebenwirkungen als mild bis mäßig eingestuft. Expertenmeinung zufolge ist die Anzahl der Geimpften und der Beobachtungszeitraum ausreichend, um schwerwiegende Nebenwirkungen zu entdecken.

Ob Geimpfte, die Kontakt mit dem Virus hatten, dennoch für andere ansteckend sind, lässt sich heute noch nicht genau sagen. Man kann aber davon ausgehen, dass die Dauer und die Intensität der Ansteckung deutlich geringer ist als bei Ungeimpften.

Die Wirksamkeit der Impfung soll auch bei Kindern und Jugendlichen, Schwangeren und bei PatientInnen mit Einschränkung der Immunabwehr untersucht werden.

Wirksamkeit der Impfungen

Abbildung 2: Wirksamkeit der Impfungen. Quelle: : Polack FP et al. New Engl J Med 2020

Abb.2. 12 Tage nach der ersten Impfung beträgt der Schutz vor einer Infektion 52%. Nach Erhalt von 2 Impfdosen beträgt der Schutz 95%.

Zeitplan der Impfung in Österreich

Zunächst werden nur begrenzte Impfdosen zur Verfügung stehen. Daher sollen in der ersten Phase (Dezember-Februar) vorrangig BewohnerInnen von Alter- und Pflegheimen, sowie das Personal von Pflegeheimen, Krankenhäusern, etc und Personen, die vordefinierten Hochrisikogruppen angehören geimpft werden. In der zweiten Phase (Februar-April) sollen zusätzlich Personen höheren Alters und Menschen der kritischen Infrastruktur geimpft werden. Ab April 2021 soll die Impfung für die Allgemeinbevölkerung zur Verfügung stehen.

Darstellung der Impfphasen

Abbildung 3. Quelle: https://www.sozialministerium.at/Informationen-zum-Coronavirus/COVID-19-Impfung.html

Multiple Sklerose und die Corona-Impfung

Zum jetzigen Zeitpunkt ist es schwierig, allgemein gültige Aussagen zur neuen Corona-Impfung bei MS Betroffenen zu machen. Es gibt bislang keinen anderen zugelassenen Impfstoff auf Basis der mRNA Technologie und keine Erfahrung zur Wirksamkeit des Impfstoffes unter Medikamenten, die das Immunsystem beeinflussen, wie sie bei MS verwendet werden (Immunsuppressiva bzw Immunmodulatoren).

Dennoch ist es uns ein Anliegen, in dieser unsicheren Zeit eine erste Einschätzung zur Impfung bei MS abzugeben. Die Einschätzung basiert nicht auf Daten, da uns derzeit keine Daten zur Verfügung zu stehen. Sie beruht auf dem Wissen über die Wirkmechanismen der MS Medikamente sowie den Daten über Wirksamkeit von anderen Impfungen bei MS Betroffenen mit oder ohne Therapie.

Kann die Corona-Impfung auf mRNA Basis einen Schub auslösen?

Bei den meisten Impfungen, besonders bei Impfungen mit Totimpfstoffen besteht kein erhöhtes Schubrisiko. Auch der nun zugelassene Corona-Impfstoff auf Basis der mRNA Technologie ist ein Totimpfstoff. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass kein oder nur ein sehr geringes Schubrisiko besteht. Eine Infektion mit dem SARS-Cov2 Virus kann ebenfalls einen Schub auslösen und birgt zudem das Risiko eines schweren Verlaufs, der sich auch negativ auf die MS auswirken kann.

Kann die Corona-Impfung auf mRNA Basis bei MS unter immunmodulierender/ immunsuppressiver Therapie (IMT/IST) verabreicht werden?

Aufgrund der Wirkweise des mRNA-Impfstoffes und der großen Zahl der bereits Geimpften kann davon ausgegangen werden, dass die Impfung unter einer MS Therapie sicher ist. Das bedeutet, dass keine anderen oder schwereren Nebenwirkungen zu erwarten sind als bei Personen ohne MS Therapie. Andere Corona-Impfungen, die derzeit noch nicht zugelassen sind, basieren auf dem Prinzip einer Lebend- oder Virusvektorimpfung. Diese Impfungen sind bei immunsuppressiver Therapie kontraindiziert.

Ob bzw. wann sich MS Betroffene impfen lassen sollen, ist Gegenstand aktueller Diskussion. MS Betroffene sind per se keine Hochrisikogruppe. Wohl aber müssen individuelle Faktoren wie Alter, Begleiterkrankungen, neurologische Beeinträchtigung, die aktuelle Therapie und das Berufsumfeld berücksichtigt werden. Weiterhin gilt es die aktuellen Maßnahmen einzuhalten, die vor einer Infektion schützen: Mund-Nasenschutz tragen, Abstand halten, regelmäßiges Händewaschen und -desinfektion.

Erfahrungen mit anderen Impfungen legen nahe, dass Impfungen, sofern es sich nicht um Lebendimpfungen handelt, unter Interferonen, Copaxone®, Tecfidera® und Aubagio®, vermutlich auch unter Tysabri® einen ausreichenden Impfschutz bieten. Unter Gilenya® und Mayzent® kann die Impfantwort abgeschwächt sein. Bei B-Zelldepletierenden Therapien (Ocrevus®, Rituximab) kann die Impfantwort deutlich eingeschränkt sein. Bei Lemtrada® kann die Wirksamkeit der Impfung vermindert sein, wenn sie innerhalb der ersten 6 Monate nach der letzten Infusion verabreicht wird. Für Mavenclad® gibt es keine Daten zu Impfungen, aufgrund des Wirkmechanismus ist wohl ausschlaggebend wieviel Zeit seit der letzten Gabe von Mavenclad® vergangen ist.

Bei MS Therapien, unter denen die Wirksamkeit der gängigen Impfungen eingeschränkt ist, sollte der Impferfolg mit einem Bluttest kontrolliert werden. MS Betroffene ohne Therapie können mit einem ausreichenden Impfschutz der neuen Corona-Impfung rechnen. Nach einer Kortisonstoßtherapie soll zwei Wochen bis zur Impfung gewartet werden. Eine Impfung soll spätestens zwei Wochen vor Beginn einer immunsuppressiven Therapie erfolgen.

Impfantwort auf gängige Impfungen

Impfantwort auf gängige Impfungen

Abb 4: Impfantwort auf gängige Impfungen. Quelle: Ciotti JR et al. Mult Scler Rel Dis (45) 2020.102439

COVID-19-Impfungen: Empfehlungen des Nationalen Impfgremiums zur Priorisierung