Aktuelle Studien zur Therapie der MS

Im Journal of the American Medical Association (JAMA) wurden Studien zur nicht-myeloablativen autologen hämatopoetischen Stammzelltransplantation und zur krankheitsmodifizierenden Therapie bei schubförmig remittierender Multipler Sklerose veröffentlicht.

Netz, Credit: Pietro Jeng, Unsplash

Stammzelltherapie bei schubförmig remittierender MS

In einer internationalen Studie erwies sich die nicht-myeloablative autologe hämatopoetische Stammzelltransplantation für Menschen mit schubförmig remittierender MS wirksamer als die krankheitsmodifizierende Therapie.

Die nicht-myeloablative autologe hämatopoetischen Stammzelltransplantation (HSCT) ist riskant und kann nur in spezialisierten Kliniken durchgeführt werden. Einer aktuellen Studie zufolge stellt sie einen potenziell nützlichen Ansatz dar, um eine progressive Behinderung bei schubförmiger Multipler Sklerose (MS) zu verlangsamen oder zu verhindern.

Wie funktioniert die nicht-myeloablative autologe hämatopoetische Stammzelltransplantation (HSCT)?

Mit der nicht-myeloablativen autologen hämatopoetischen Stammzelltransplantation (HSCT) wird versucht, innerhalb von vier Wochen ein „Reset“ des Immunsystems zu bewirken, indem zuerst eine Chemotherapie angewendet wird und anschließend zuvor entnommene körpereigene periphere Blutstammzellen rückgeführt werden.

Zu Beginn der Behandlung werden die Blutstammzellen durch Medikamente vom Knochenmark ins Blut bewegt (mobilisiert). Die Blutstammzellen können nach zehn Tagen aus dem peripheren Blut entnommen werden, anschließend werden sie eingefroren (kryokonserviert). Anschließend erfolgt eine Kurzzeit-Chemotherapie, mit der die körpereigenen (autologen) Immunzellen abgetötet werden. Danach werden die Blutstammzellen mittels einer Re-Infusion wieder zugeführt, wodurch ein neues blutbildendes System aufgebaut wird. Bis sich alle Zellgruppen gebildet haben und das Immunsystem wieder richtig funktioniert, vergehen einige Wochen, in denen Infekte eine potenzielle Gefahr darstellen.

Dass Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer mit hochaktiver schubförmiger Multipler Sklerose (MS) mit einer HSCT häufiger vor einer Krankheitsprogression bewahrt werden konnten als mit bestimmten krankheitsmodifizierenden Medikamenten, belegte kürzlich eine internationale Forschungsgruppe um Richard K. Burt, Roumen Balabanov und Joachim Burman. Die Ergebnisse ihrer offenen, randomisierten, klinischen Vergleichsstudie mit 110 Teilnehmenden veröffentlichten sie am 15. Jänner 2019 im Journal of the American Medical Association (JAMA).

Zwischen 20. September 2005 und 7. Juli 2016 wurden insgesamt 110 von 900 interessierten Personen mit schubförmig remittierender MS, mindestens zwei Rezidiven bei einer krankheitsmodifizierdenden Therapie im Vorjahr und einem EDSS-Score von 2,0 bis 6,0 in vier Zentren (Chicago, Sheffield, Uppsala und Sao Paulo) randomisiert. In der Studie kamen allerdings die zu den derzeit als am wirksamsten zählenden Medikamente wie Alemtuzumab, Cladribin und Ocrelizumab nicht zum Einsatz.

Der primäre Endpunkt war das Fortschreiten der Krankheit bzw. der Schweregrad der Behinderung. Dieser wurde als Anstieg des EDSS-Scores nach mindestens einem Jahr um einen Punkt oder mehr definiert und anhand von zwei Auswertungen im Abstand von sechs Monaten gemessen.

Das mediane Alter aller ursprünglich 110 randomisierten Probandinnen und Probanden betrug 36 Jahre, 73 davon waren Frauen. 103 davon verblieben in der Studie, nach einem Jahr waren es noch 98 Versuchspersonen, nach fünf Jahren schließlich 23.

Bei drei Teilnehmenden der Stammzelltherapie-Gruppe und bei 34 Personen der krankheitsmodifizierenden Therapie-Gruppe kam es zu einem Fortschreiten der Erkrankung. Die mittlere Zeit bis zur Progression konnte in der Stammzelltherapie-Gruppe aufgrund zu geringer Ereignisse nicht berechnet werden. In der Gruppe, die krankheitsmodifizierende Medikamente erhielt, betrug sie 24 Monate.

Im ersten Jahr sank der mittlere EDSS-Score in der Stammzelltherapie-Gruppe von 3,38 auf 2,36. In der Gruppe mit der krankheitsmodifizierenden Therapie verschlechterte sich der EDSS-Score von 3,31 auf 3,98. Es kam zu keinen keinen schweren Komplikationen wie Herzinfarkt, Embolie, Dialyse, Sepsis oder Organversagen und zu keinen Todesfällen.

In dieser vorläufigen Studie an Patienten mit schubförmig remittierender MS resultierte eine nicht-myeloablative HSCT im Vergleich zur krankheitsmodifizierenden Therapie in einer längeren Zeit bis zum Fortschreiten der Erkrankung. Um diese Ergebnisse zu replizieren sowie langfristige Ergebnisse und die Sicherheit zu bewerten, sind weitere Forschungsarbeiten erforderlich.

Richard K. Burt, Roumen Balabanov, Joachim Burman, et al: Effect of Nonmyeloablative Hematopoietic Stem Cell Transplantation vs Continued Disease-Modifying Therapy on Disease Progression in Patients With Relapsing-Remitting Multiple Sclerosis. A Randomized Clinical Trial. JAMA. 2019;321(2):165-174. doi:10.1001/jama.2018.18743

Initiale krankheitsmodifizierende Therapie

In der gleichen Ausgabe des Journal of the American Medical Association wurde eine Studie veröffentlicht, in der mit der krankheitsmodifizierenden Therapie relativ günstige Ergebnisse erzielt werden konnten.

Die Forschenden um J. William L. Brown, Alasdair Coles und Dana Horakova versuchten anhand einer Kohortenstudie mit 1.555 Patientinnen und Patienten mit schubförmig-remittierender Multipler Sklerose (MS) herauszufinden, welcher Zusammenhang zwischen der Erstbehandlung mit krankheitsmodifizierenden Therapien wie Fingolimod, Natalizumab oder Alemtuzumab im Vergleich zu Interferon beta oder Glatirameracetat und dem Risiko der Konversion zu sekundär progressiver Multiple Sklerose besteht.

Für den Vergleich wurden prospektiven Daten von 68 neurologischen Zentren in 21 Ländern verwendet, in den Personen mit schubförmig remittierender MS untersucht worden waren, die im Zeitraum von 1988 bis 2012 krankheitsmodifizierende Therapien erhalten hatten oder klinisch überwacht worden waren.

Das mittlere Grundalter der 1.555 Probandinnen und Probanden betrug 35 Jahre, 1.123 davon waren Frauen.

  • Die Auswertung ergab, dass Personen, die innerhalb von fünf Jahren nach Krankheitsbeginn mit Glatirameracetat oder Interferon beta behandelt worden waren, ein geringeres Risiko der Konversion zu einer sekundär progressiven MS zeigten als unbehandelte Personen.
  • Die Erstbehandlung mit Fingolimod, Alemtuzumab oder Natalizumab war mit einem geringeren Konversionsrisiko verbunden als die Erstbehandlung mit Glatirameracetat oder Interferon beta.
  • Die Konversionswahrscheinlichkeit war geringer, wenn mit Glatirameracetat oder Interferon beta innerhalb von fünf Jahren nach Krankheitsbeginn begonnen wurde.

Aus diesen Ergebnissen folgern die Studienautorinnen und -autoren, dass bei Personen mit rezidivierend-remittierender MS die Erstbehandlung mit Fingolimod, Alemtuzumab oder Natalizumab mit einem geringeren Risiko der Umstellung auf eine sekundäre progressive MS ist – verglichen mit der Erstbehandlung mit Glatirameracetat oder Interferon beta. 

J. William L. Brown, Alasdair Coles, Dana Horakova et al: Association of Initial Disease-Modifying Therapy With Later Conversion to Secondary Progressive Multiple Sclerosis. JAMA. 2019;321(2):175-187. doi:10.1001/jama.2018.20588