Mindestsicherung Neu ab 1. Juni

Die „neue Sozialhilfe“ wird die sogenannte „Mindestsicherung“ ablösen. Lesen Sie, was sich für Bezieherinnen und Bezieher von Mindestsicherung ab 1. Juni 2019 ändern wird.

Geldscheine hängen an Wäscheklammern auf Wäscheleine, Credit: Bruno Glätsch, Pixabay

Mit dem Bundesgesetz über die “Grundsätze der Sozialhilfe” regelt die Regierung die bisherige Mindestsicherung neu. Dieses im Vorfeld heftig kritisierte Sozialhilfe-Grundsatzgesetz legt künftig Höchstgrenzen für die Sozialhilfe fest. Es soll mit 1. Juni in Kraft treten, die Bundesländer haben für ihre Ausführungsgesetze bis Jahresende Zeit. Eine kleine Änderung betreffend Anrechnung von Spenden soll es im Parlament noch geben.

 

Der Sozialausschuss des Nationalrats hat den Weg für die neue Mindestsicherung geebnet. Trotz etlicher kritischer Stimmen im heutigen Hearing stimmten ÖVP und FPÖ für das von der Regierung vorgelegte Sozialhilfe-Grundsatzgesetz. Zuvor wurden noch einzelne – vorwiegend technische – Detailänderungen vorgenommen. Es brauche eine Reform, sind sich die Koalitionsparteien einig. SPÖ und JETZT befürchten hingegen steigende Armut, auch die NEOS sind mit dem Grundsatzgesetz unzufrieden. Der Nationalrat wird am 25. April über den Gesetzentwurf beraten, laut ÖVP-Klubobmann August Wöginger soll es dabei noch zu Klarstellungen in Bezug auf die Anrechnung von Spenden kommen.

Bislang haben alleine die Länder gesetzlich geregelt, welche finanzielle Unterstützung bedürftige Personen erhalten, die ihren Lebensunterhalt nicht selbst bestreiten können. Zwar gehört das „Armenwesen“ seit jeher zu einer der wenigen Materien, wo dem Bund laut Bundesverfassung die Grundsatzgesetzgebung zukommt und den Ländern die Erlassung von Ausführungsgesetzen, bis dato hat der Bund aber auf entsprechende gesetzliche Vorgaben verzichtet. Lediglich eine Bund-Länder-Vereinbarung hat zwischen 2010 und 2016 für eine vorübergehende Harmonisierung der gewährten Leistungen gesorgt.

Nun werden die Länder mit dem Sozialhilfe-Grundsatzgesetz (514 d.B. ) zur Deckelung der Leistungen verpflichtet. Vor allem Mehrkindfamilien, Asylberechtigte mit schlechten Deutschkenntnissen und Flüchtlinge mit subsidiärem Schutzstatus müssen mit deutlichen Kürzungen rechnen.

Zur Verhandlung im Ausschuss standen auch drei Entschließungsanträge der Opposition, die jedoch alle abgelehnt wurden. Die SPÖ wollte erreichen, dass für die Sozialhilfe, wie bei der seinerzeitigen Bund-Länder-Vereinbarung bundesweite Mindestrichtsätze – statt Höchstrichtsätze – festgelegt werden und dabei auf eine armutsvermeidende Leistungshöhe und eine diskriminierungsfreie Kinderstaffelung geachtet wird (669/A(E) ). Zudem braucht es ihrer Meinung nach ausreichende Qualifizierungs- und Integrationsangebote für MindestsicherungsbezieherInnen. Die NEOS schlagen eine Zusammenführung von Notstandshilfe und Mindestsicherung zu einer Art „Bürgergeld“ vor und wollen durch anfänglich großzügige Zuverdienstgrenzen den Arbeitsanreiz für MindestsicherungsbezieherInnen erhöhen (680/A(E) , 480/A(E) ).

In Kraft treten soll das neue Sozialhilfe-Grundsatzgesetz am 1. Juni 2019. Bis Ende dieses Jahres haben die Länder dann Zeit, entsprechende Ausführungsgesetze zu beschließen, wobei sie Übergangsregelungen für jene Personen vorsehen können, die bereits Bedarfsorientierte Mindestsicherung bzw. eine andere Sozialhilfeleistung beziehen. Spätestens mit 1. Juni 2021 müssen die Vorgaben des Bundes laut Regierungsentwurf aber für alle gelten.

SPÖ vermisst Klarheit in Bezug auf Anrechnung von Spenden

Die SPÖ nutzte die Ausschussdebatte dazu, um beim Hearing offen gebliebene Fragen zu wiederholen. So ist für SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch und Mario Lindner nach wie vor unklar, inwieweit Leistungen der öffentlichen Hand bzw. private Spenden künftig bei der Sozialhilfe zu berücksichtigen sind. Sie fürchten etwa, dass Essengutscheine, Öffi-Freifahrten oder Gebührenbefreiungen die Sozialhilfe schmälern könnten. Auch sonst ließ Lindner am Regierungsentwurf kein gutes Haar: Das Gesetz sei fehlerhaft, untauglich, europarechswidrig und erzeuge Armut.

Kritisch beurteilten auch die SPÖ-Abgeordneten Alois Stöger, Birgit Sandler, Nurten Yilmaz, Gabriele Heinisch-Hosek und Selma Yildirim das Grundsatzgesetz. So läuft es nach Meinung Stögers dem auf EU-Ebene vereinbarten Ziel entgegen, Armut zu verringern. Es brauche eine Mindestsicherung in armutsvermeidender Leistungshöhe, bekräftigte er. Heinisch-Hosek rechnet vor allem mit steigender Kinderarmut, zumal der Bonus für AlleinerzieherInnen nur eine Kann- und keine Muss-Bestimmung ist.

Stöger und Yilmaz äußerten zudem Zweifel daran, dass es genügend Deutschkurse für Flüchtlinge geben wird, vor allem außerhalb der Ballungsräume. Weiters erkundigte sich Yilmaz danach, welche Nachweise für ein C1-Sprachniveau in Englisch anerkannt werden. Yildirim versteht nicht, wozu die Staatsbürgerschaft und das Geburtsland der Eltern von MindestsicherungsbezieherInnen erfasst werden. Um etwaige Leistungskürzungen für behinderte Menschen, die bei ihren Eltern leben, macht sich Sandler Sorgen.

Auch JETZT-Abgeordnete Daniela Holzinger-Vogtenhuber ging auf die Situation von behinderten Menschen ein. Zudem sprach sie den Umstand an, dass auch ÖsterreicherInnen, die am Arbeitsmarkt nicht vermittelbar sind, Leistungskürzungen drohen.

NEOS befürchten mehr Bürokratie

In eine ganz andere Stoßrichtung ging die Kritik der NEOS. Er hege nicht die Befürchtung, dass durch das Gesetz die Armut steigen wird, betonte Gerald Loacker. Zumal es in der Mindestsicherung ohnehin eine „Übervergütung“ des Faktors Kind gebe. Allerdings bleibe es beim länderweisen „Fleckerlteppich“, gleichzeitig werde der administrative Aufwand steigen. Die Regierung mache ein „Riesenbrimborium“ und veranstalte „einen monatelangen Schaulauf“ auf Basis von Ressentiments gegen AusländerInnen, ohne dass viel etwas anderes als vorher herauskomme, so Loacker. Man suggeriere, man wolle ausländischen Mehrkindfamilien etwas wegnehmen, dabei sei ein Großteil der MindestsicherungsbezieherInnen alleinstehend bzw. gehöre einem Alleinerzieherhaushalt an.

Loacker selbst plädierte einmal mehr für eine Zusammenführung von Mindestsicherung und Notstandshilfe und warb in diesem Zusammenhang für das von seiner Fraktion vorgeschlagene „Bürgergeld“. Bei diesem handle es sich um kein bedingungsloses Grundeinkommen, versicherte er. Vielmehr knüpfe auch dieses an Arbeitswilligkeit an. Die BezieherInnen hätten aber nur noch eine Anlaufstelle, damit würde man Bürokratie vermeiden.

Spendenfrage: ÖVP kündigt Abänderungsantrag für Plenarberatungen an

ÖVP und FPÖ zeigten kein Verständnis für die Kritik der Opposition. Das Gesetz bringe viele Verbesserungen, das hätten auch die ExpertInnen beim heutigen Hearing bestätigt, sagte ÖVP-Klubobmann August Wöginger. Er verwies etwa auf zusätzliche Leistungen für Menschen mit Behinderung und AlleinerzieherInnen. Zudem hob er die „großzügig ausgestaltete“ Härtefallregelung hervor, mit der man den Bundesländern bewusst viel Spielraum gebe. Schließlich wüssten die Gemeinden vor Ort am besten, wer etwas brauche und wer in einer besonderen Notsituation sei. Wögingers Fraktionskollege Klaus Fürlinger hielt ergänzend fest, dass es den Ländern frei stehe, Untergrenzen einzuziehen.

Ausdrücklich verteidigt wurden von Wöginger die Kürzungen für Mehrkindfamilien. Man könne niemandem erklären, dass Familien, die Sozialhilfe beziehen, das gleiche Einkommen haben wie Familien, in denen es ein Arbeitseinkommen gibt. Überdies werde eine fünfköpfige Familie auch in Zukunft 2.200 € netto zur Verfügung haben.

Was die Anrechnung von Spenden auf die Mindestsicherung betrifft, kündigte Wöginger einen klarstellenden Abänderungsantrag für das Plenum des Nationalrats in Bezug auf Geldleistungen an. Bei Sachleistungen sei ohnehin klar, dass diese nicht anzurechnen seien.

Sozialhilfe-Grundsatzgesetz, Änderung (514 d.B.)

FPÖ: Mindestsicherung ist aus dem Ruder gelaufen

Die SPÖ versuche mit Gewalt ein Haar in der Suppe zu finden, kritisierte Dagmar Belakowitsch (FPÖ). Man solle die Kirche im Dorf lassen, niemandem werde etwas genommen, was er braucht. Auch Kinder würden weiterhin doppelt gefördert. Belakowitsch verwies zudem auf den Alleinerzieherbonus und den Umstand, dass die Behörden künftig erst nach drei Jahren durchgängiger Sozialhilfe auf Wohnungseigentum zugreifen können. Ihr Parteikollege Peter Wurm hob auch die Verbesserungen für behinderte Menschen hervor.

Dass es eine Reform der Mindestsicherung braucht, ist für Wurm jedenfalls klar. Die Mindestsicherung sei „komplett aus dem Ruder gelaufen“, meinte er. Die Regierung müsse eingreifen, um Gerechtigkeit zu schaffen. Es gehe darum, „den ärgsten Missbrauch“ einzudämmen. Wurm stellte weitere Schritte in Aussicht: „Das wird vielleicht nicht das Ende der Fahnenstange sein.“ FPÖ-Abgeordneter Werner Neubauer machte geltend, dass auch die Bedarfsorientierte Mindestsicherung nicht immer vor Armut geschützt habe.

Hartinger-Klein: Gesetz bringt auch viele Verbesserungen

Sozialministerin Beate Hartinger-Klein verwahrte sich gegen den Vorwurf, die Regierung würde einen „Schaukampf gegen Ausländer“ führen. Maßnahmen gegen AusländerInnen seien nur ein Teil des Pakets, es gebe auch viele sozialpolitische Verbesserungen, etwa was Alleinerziehende und den erschwerten Zugriff auf das Vermögen betrifft, sagte sie. „Wir haben den Mut, ein Grundsatzgesetz anzugehen.“ Zudem sei die Sozialhilfe nicht die einzige staatliche Leistung, die darauf abziele, Armut zu bekämpfen.

Was Spenden betrifft, ist für die Ministerin klar, dass die Bereitstellung von elektrischen Rollstühlen, Heizthermen, Schulstartpaketen und ähnlichen Sachleistungen durch die öffentliche Hand unter Sonderbedarf fällt und daher von der Härtefallklausel umfasst ist. Auch sie will die Bestimmungen aber noch einmal prüfen. Dass der Bonus für AlleinerzieherInnen eine Kann- und keine Muss-Bestimmung ist, begründete Hartinger-Klein damit, dass man den Ländern einen gewissen Spielraum lassen müsse. Schließlich handle es sich um ein Grundsatzgesetz.

Auch ÖsterreicherInnen ohne Pflichtschulabschluss droht reduzierte Sozialhilfe

Ergänzt wurden die Ausführungen Hartinger-Kleins von Kabinettsmitarbeiterin Elisabeth Bruckmüller, die auch am Hearing teilgenommen hatte. Sie bestätigte Abgeordneter Holzinger-Vogtenhuber, dass auch ÖsterreicherInnen ohne Pflichtschulabschluss eine reduzierte Sozialhilfe droht, bis sie vorgeschriebene Qualifizierungsmaßnahmen absolviert haben. Sie geht allerdings davon aus, dass das nur ganz wenige Personen betreffen wird.

Mit Kürzungen für behinderte Menschen rechnet Bruckmüller nicht. Es stehe den Ländern ausdrücklich frei, geltende Sonderbestimmungen für behinderte Menschen beizubehalten oder neu einzuführen, versicherte sie. So dürfen die Länder diesen etwa weiterhin eine 13. und 14. jährliche Zahlung gewähren oder festschreiben, dass Unterhaltsleistungen der Eltern nicht anzurechnen sind.

Staatliche Sprachprüfungen Deutsch B1 und Englisch C1

Auf die Fragen der Abgeordneten zu den Sprachkursen ging eine Vertreterin des auch für Integration zuständigen Außenministeriums ein. Sie wies darauf hin, dass die für den vollen Bezug der Sozialhilfe nachzuweisenden Sprachkenntnisse – entweder Deutsch B1 oder Englisch C1 – auf Basis einer staatlichen Prüfung nachzuweisen sein werden, die vom Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF) abgewickelt wird. Die Kurse selbst könnten, ähnlich wie beim Führerschein, bei zertifizierten Kursanbietern absolviert werden. Dass es zu Engpässen bei den Kursen kommen wird, glaubt sie nicht, schon jetzt gebe es ein flächendeckendes Kursangebot mit Wartezeiten von nur noch zwei bis drei Wochen für Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte.

Als Grund für die künftig „staatliche“ Prüfung nannte die Vertretern, dass die „kriminelle Energie“ im Bereich der Deutschprüfungen enorm sei. Die Bandbreite reiche von Kopfhörern im Ohr über Doubles, die statt des Prüflings zu Prüfungen antreten, bis hin zur Bestechung von PrüferInnen. Für die Deutschprüfungen habe der ÖIF schon jetzt ausreichendes Know-How und Kapazitäten, bei der Englischprüfung müsse er sich die Kompetenzen noch aneignen.

Von den Ausführungen der Sozialministerin zur Frage von Spenden ließ sich die SPÖ nicht überzeugen: Sowohl für Muchitsch als auch für Lindner bleibt etwa unklar, was mit privaten Spenden ist und ob etwaige Sachleistungen nur dann nicht zur Kürzung der Mindestsicherung führen, wenn eine Prüfung zuvor ergeben hat, dass es sich um einen Härtefall handelt.

Gestaffelte Kinderzuschläge, verpflichtender Behindertenbonus

Konkret legt das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz den Netto-Ausgleichszulagenrichtsatz als künftige Höchstgrenze für die Mindestsicherung fest. Das sind für das Jahr 2019 885,47 €. Für Paare gibt es maximal 140% des Ausgangsbetrags (1.239,66). Jedem weiteren volljährigen bezugsberechtigten Familienmitglied stehen 45% zu.

Die Kinderzuschläge werden, anders als in der alten Bund-Länder-Vereinbarung, nunmehr gestaffelt. Statt mindestens 18% pro Kind sind höchstens 25% für das erste Kind, 15% für das zweite und 5% ab dem dritten Kind zulässig. Zusätzlich können die Länder AlleinerzieherInnen einen Bonus gewähren, der von 12% für das erste Kind über 9% für das zweite und 6% für das dritte Kind bis hin zu 3% für das vierte und jedes weitere Kind reicht. Auch für Menschen mit Behinderung, egal ob minderjährig oder volljährig, wird es einen Bonus geben – diesfalls beträgt der Zuschlag 18% und ist verpflichtend.

Eine Deckelung sieht das Gesetz für Wohngemeinschaften vor, wobei jeder betroffenen Person zumindest eine gewisse Geldleistung zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts (bis maximal 20% des Grundbetrags) zusteht. Betreute Einrichtungen für behinderte Menschen sind von dieser Deckelung ausgenommen.

Reduzierte Sozialhilfe für Zuwanderer ohne ausreichende Deutschkenntnisse

Wer grundsätzlich arbeitsfähig, am Arbeitsmarkt aber nicht vermittelbar ist, weil er beispielsweise über unzureichende Sprachkenntnisse verfügt, erhält künftig eine um 35% reduzierte Sozialhilfe (2019: 575,55 €). Dies gilt nicht nur für Asylberechtigte und Drittstaatsangehörige, sondern auch für ÖsterreicherInnen und EU-BürgerInnen, wenn sie etwa Sprachdefizite oder keinen Pflichtschulabschluss haben. Ausgenommen davon sind Personen mit Betreuungspflichten für unter dreijährige Kinder, Personen, die Angehörige pflegen, junge Menschen in Ausbildung, Lehrlinge und Menschen im Pensionsalter.

Der Differenzbetrag zur vollen Sozialhilfe ist von den Ländern als Sachleistung für Sprach- bzw. andere Qualifizierungsmaßnahmen bereitzustellen (Arbeitsqualifizierungsbonus). Erst wer Sprachkenntnisse zumindest auf dem Niveau B1 in Deutsch oder C1 in Englisch nachweist bzw. etwaige sonstige vorgeschriebene Qualifizierungsmaßnahmen abschließt, erhält den vollen Geldetrag. Asylberechtigte und Drittstaatsangehörige müssen überdies eine verpflichtende Integrationserklärung gemäß Integrationsgesetz abgeben, an Werte- und Orientierungskursen teilnehmen und eine Integrationsprüfung auf B1-Niveau ablegen.

Zentrale Abwicklung von B1-Prüfungen für Asylberechtigte und Zuwanderer

Begleitend zum Sozialhilfe-Grundsatzgesetz wird in diesem Sinn auch das Integrationsgesetz novelliert und Außen- und Integrationsministerin Karin Kneissl dazu verpflichtet, ausreichende Sprachkurse sowie B1-Prüfungen anzubieten. Finanziert werden sollen die Deutschkurse über den Arbeitsqualifizierungsbonus, wobei die Zertifizierung geeigneter Anbieter dem Österreichischen Integrationsfonds obliegen wird, der auch jederzeit unangekündigte Kontrollen durchführen kann. Die – kostenlosen – Prüfungen sollen, unter Berücksichtigung von Übergangsbestimmungen, künftig über eine zentrale Stelle nach einheitlichem Maßstab abgewickelt werden.

Wohnkostenpauschale und Härtefallklausel

Ausdrücklich durch das Gesetz ausgeschlossen wird eine 13. oder 14. Sozialhilfe-Zahlung im Jahr. Hohe Wohnkosten können durch eine Wohnkostenpauschale abgegolten werden, wobei in diesem Fall nicht nur der Aufschlag von bis zu 30%, sondern auch ein Teil des Grundbetrags (40%) als Sachleistung zu gewähren ist und damit nicht an den Sozialhilfebezieher bzw. die Sozialhilfebezieherin selbst ausgezahlt, sondern beispielsweise direkt dem Vermieter überwiesen wird. Darüber hinaus enthält das Gesetz eine Härtefallklausel, die den Ländern in Einzelfällen zusätzliche Sachleistungen erlaubt.

Mit dem Abänderungsantrag wird außerdem sichergestellt, dass Leistungen, die Personen aufgrund ihres Alters bzw. zur Abdeckung von altersbedingtem Sonderbedarf erhalten, weiterhin gewährt werden dürfen.

Subsidiär Schutzberechtigte sollen nur noch Grundversorgung erhalten

Grundsätzlich sind Leistungen der Sozialhilfe nur Personen zu gewähren, die von einer sozialen Notlage betroffen sind und Arbeitsbereitschaft zeigen. Drittstaatsangehörige, die keinen Asylstatus besitzen, werden künftig überdies erst nach fünfjährigem Aufenthalt in Österreich Anspruch auf Leistungen haben. Die neue Sozialhilfe ist alle 12 Monate neu zu beantragen, wobei die Länder für dauerhaft erwerbsunfähige Personen Ausnahmen vorsehen können.

Ausdrücklich ausgeschlossen vom Leistungsbezug sind verurteilte Straftäter, die zu mehr als sechs Monaten Freiheitsstrafe verurteilt wurden und sich in Haft befinden, ausreisepflichtige Fremde, AsylwerberInnen sowie Personen, die sich nicht in Österreich aufhalten. Flüchtlingen mit subsidiärem Schutzstatus sind künftig außerdem nur noch „Kernleistungen“ der Sozialhilfe auf dem Niveau der Grundversorgung zu gewähren. Dazu zählen etwa Unterbringung, Verpflegung, Krankenversicherung und Taschengeld. Auch subsidiär Schutzberechtigte müssen die B1-Integrationspüfung absolvieren.

Wirksame Kontrollsysteme

Die Länder werden mit dem Grundsatzgesetz auch verpflichtet, wirksame Kontrollsysteme einzurichten und abschreckende Sanktionen bei missbräuchlichem Bezug von Sozialhilfe zu verankern. So sind Asylberechtigten, die vorsätzlich gegen im Integrationsgesetz verankerte Pflichten verstoßen, die Leistungen um zumindest 25% über einen Zeitraum von mindestens drei Monaten zu kürzen. Eine spezielle Bestimmung soll außerdem verhindern, dass finanzielle Einbußen von Personen, denen vorübergehend Arbeitslosengeld oder Notstandhilfe gestrichen wurde, weil sie AMS-Auflagen nicht erfüllt haben, zur Gänze durch Sozialhilfeleistungen substituiert werden.

Freibetrag bei Aufnahme von Erwerbsarbeit soll Arbeitsanreiz erhöhen

Um den Arbeitsanreiz zu erhöhen, ist SozialhilfebezieherInnen, die eine Erwerbstätigkeit aufnehmen, ein anrechnungsfreier Freibetrag von bis zu 35% des monatlichen Nettoeinkommens einzuräumen, wobei dieser Freibetrag höchstens zwölf Monate gewährt werden darf. Zudem wird der Vermögenszugriff insofern erschwert, als künftig Ersparnisse im Ausmaß des sechsfachen Grundbetrags (2019: 5.312,8 €) unangetastet zu bleiben haben. In der Bund-Länder-Vereinbarung war ein Wert von 500% verankert. Grundbücherliche Sicherstellungen dürfen erst nach drei Jahren durchgängigem Sozialhilfebezug erfolgen.

Sozialhilfe-Statistikgesetz soll Datenlage verbessern

Zur Verbesserung der Datenlage werden die Länder verpflichtet, der Statistik Österreich alle relevanten Daten über SozialhilfebezieherInnen zu übermitteln. Dazu gehören laut Anlage zum neuen Sozialhilfe-Statistikgesetz neben detaillierten Daten über Bezugshöhe und Bezugsdauer u.a. auch Daten über den Geburtsort und die Staatsangehörigkeit der Betroffenen sowie den Geburtsort und die Staatsangehörigkeit der leiblichen Eltern. Die Bundesanstalt ist angehalten, aus den gelieferten Daten regelmäßig Gesamtstatistiken zu erstellen. Die Mindestsicherungsstatistik habe sich als stark verbesserungsbedürftig erwiesen, zudem erfolge die Datenlieferung der Bundesländer seit Auslaufen der Bund-Länder-Vereinbarung nur mehr auf freiwilliger Basis, wird dieser Schritt begründet.

Finanzielle Auswirkungen schwer abschätzbar

Die Regierung erhofft sich von den neuen Regelungen unter anderem, dass die durchschnittliche Verweildauer in der Mindestsicherung von 8,5 Monaten auf 7,5 Monate reduziert werden kann und der Anteil der NichtösterreicherInnen an den SozialhilfebezieherInnen zurückgeht oder zumindest stagniert. Die Zahl der durchzuführenden B1-Prüfungen wird auf 160.000 bis zum Jahr 2024 geschätzt, jene der zu unterzeichnenden Integrationserklärungen auf 80.000. Zudem werden laut Erläuterungen voraussichtlich 60.000 Kursplätze für Werte- und Orientierungskurse für Drittstaatsangehörige sowie 43.600 Deutschkurse zur Erreichung des B1-Niveaus benötigt.

Schwer abschätzbar sind nach Meinung der Regierung die Kosten des Gesetzespakets, wobei sie grundsätzlich nicht mit Kosteneinsparungen rechnet. Zwar birgt der Gesetzentwurf ihr zufolge ein gewisses Einsparungspotenzial für die Länder, dieses sei aber von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich und hänge auch stark davon ab, inwieweit die gesetzlich normierten Höchstbeträge unterschritten werden. Erst wenn die Ausführungsgesetze der Länder vorliegen, könnten die finanziellen Auswirkungen abschließend beurteilt werden, heißt es dazu in den Erläuterungen. Vorläufig geht die Regierung jedenfalls einmal von Mehrkosten für die Länder aus, die sukzessive von 4,8 Mio. € im Jahr 2020 auf 17,15 Mio. € im Jahr 2023 steigen. Für den Bund werden jährliche Mehrkosten ab 2020 von rund 19 Mio. € angegeben.

Fix ist auf jeden Fall, dass es zu finanziellen Umschichtungen kommen wird. Vor allem bei den Leistungen für Mehrkindfamilien und Flüchtlingen mit subsidiärem Schutzstatus rechnet die Regierung mit erheblichen Einsparungen, wie aus der detaillierten Folgekostenabschätzung ersichtlich ist. So soll etwa der finanzielle Aufwand der Länder durch die neue Kinderstaffelung insgesamt um rund 40 Mio. € pro Jahr sinken, was, wie ausdrücklich vermerkt wird, vor allem Familien mit Migrationshintergrund treffen wird. Eine volle Ausschöpfung des neuen Alleinerzieherbonus könnte die Kürzungen bei Mehrkindfamilien allerdings fast zur Gänze wieder wettmachen. Zu den GewinnerInnen der neuen Regelung gehören außerdem Menschen mit Behinderung.

Bei anerkannten Flüchtlingen rechnet die Regierung weder mit Einsparungen noch mit Mehrkosten. Diese erhalten künftig zwar deutlich niedrigere Geldleistungen, solange sie nicht ausreichende Deutschkenntnisse nachweisen können und die Integrationsprüfung abgelegt haben, die Länder müssen mit dem Differenzbetrag aber Qualifizierungs- und Sprachmaßnahmen finanzieren. Auch die erlaubte zusätzliche Wohnkostenpauschale soll zu keinem Mehraufwand führen. Nicht abzuschätzen ist laut Regierung, ob es durch den eingeschränkten Vermögenszugriff zu mehr Sozialhilfe-Anträgen kommen wird.

Kosten für die Mindestsicherung beliefen sich 2017 auf rund 977 Mio. €

Im Jahr 2017 haben gemäß den Erläuterungen 332.000 Personen eine Mindestsicherung bezogen, davon rund 50% AusländerInnen. Die Ausgaben beliefen sich – inklusive Krankenversicherung – auf rund 977 Mio. €. Ausdrücklich weist die Regierung darauf hin, dass mit dem Gesetzespaket auch Empfehlungen des Rechnungshofs umgesetzt werden.

Quelle: Parlamentskorrespondenz