Virtuelle Auftaktveranstaltung der Zero-Project-Konferenz 2021

Am 8. Februar tauschten sich Expertinnen und Experten im Rahmen der Auftakt-Veranstaltung zur Zero-Project-Konferenz unter dem Titel „Arbeit – Inklusion – Informationstechnologie. Perspektivenwechsel in der inklusiven Beschäftigung: Eine Inspiration durch VordenkerInnen und innovative Lösungen“ aus. Die diesjährige Zero-Project-Konferenz findet ab 10. Februar digital statt. Auf drei Kanälen gibt es insgesamt 86 Stunden Programm.

Mann mit Rollstuhl arbeitet am Schreibtisch, Credit: Canva

Digitalisierung für mehr Chancen von Menschen mit Behinderungen am Arbeitsmarkt

Die Digitalisierung bietet viele Chancen für die Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen im ersten Arbeitsmarkt. Darüber waren sich die TeilnehmerInnen der virtuellen Auftaktveranstaltung zur Zero-Project-Konferenz 2021, zu der Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka, die Essl Foundation und die Sinnbildungsstiftung eingeladen hatten, einig. Unter dem Titel „Arbeit – Inklusion – Informationstechnologie“ wurde über einen Perspektivenwechsel in der inklusiven Beschäftigung diskutiert und Inspiration durch VordenkerInnen und innovative Lösungen präsentiert.

Arbeit – Inklusion – Informationstechnologie. 'Perspektivenwechsel in der inklusiven Beschäftigung: Eine Inspiration durch Vordenker und innovative Lösungen' Ankündiung der Veranstaltung. © Parlamentsdirektion / Johannes Zinner

Die Digitalisierung, die während der Corona-Pandemie einen Schub gemacht habe, müsse eine neue Art der Inklusion ermöglichen, betonte Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka in seinen Eröffnungsworten. Der neue Arbeitsminister Martin Kocher zeigte sich in seiner Keynote überzeugt, dass Digitalisierung viele Chancen biete, aber kein Allheilmittel sei. Es brauche daher weiterhin politische Maßnahmen, um alle Gruppen mitzunehmen. Weitere Denkanstöße lieferten der CEO von Consumer Banking and Payments der Barclays-Bank Ashok Vaswani und der Gründer der Essl Foundation und Zero-Project-Initiator Martin Essl. Im Anschluss stellten drei ausgewählte nationale und internationale Projekte ihre Arbeit für mehr Chancengerechtigkeit in einer inklusiven Arbeitswelt vor.

Digitalisierung darf nicht zu Exklusion führen

Die Inklusion am Arbeitsmarkt sei heute mehr denn je ein wesentliches Thema, sagte der Nationalratspräsident einleitend. Die Digitalisierung habe durch die Pandemie nämlich einen Schub gemacht. Das dürfe nicht zu einem Exklusionsfaktor werden, sondern müsse eine neue Art der Inklusion ermöglichen, so Sobotka. Auch das Parlament fühle sich diesem Ziel verpflichtet, sagte er. Es sei das Anliegen aller Parteien, Inklusion im Parlament zu ermöglichen, insbesondere in Form von digitaler Barrierefreiheit.

Der Nationalratspräsident legte dar, dass zwischen 15 und 20 Prozent der Bevölkerung auf zusätzliche Unterstützung angewiesen seien. Es liege an uns allen, diesen Menschen die gleiche Zugänglichkeit zu bieten. Eine Zertifizierung für Unternehmen, die nicht nur die physische, sondern auch die digitale Barrierefreiheit umsetzen, wäre für Sobotka ein wichtiger Schritt. Dass wegen der Corona-Pandemie Videokonferenzen und Livestreams vorangetrieben wurden, erachte er als etwas Positives. Man solle auch in Zukunft die Möglichkeit stärker nutzen, viele Menschen durch dieses Medium schnell zu erreichen, etwa auch, um die Initiativen des Zero Project in die Breite zu bringen, sagte der Nationalratspräsident.

Digitalisierung kein Allheilmittel

Auch Arbeitsminister Martin Kocher betonte, dass die fortschreitende Digitalisierung eine große Chance für die nächsten Jahre und Jahrzehnte biete. Diese Potenziale würden sich aber nicht von selbst realisieren. Es brauche eine breite gesellschaftliche Debatte, wie wir in Zukunft arbeiten und leben wollen. Dabei müsse sichergestellt werden, dass am Arbeitsmarkt keine Gruppe ausgeschlossen werde. Die Digitalisierung biete gerade für Menschen mit körperlichen Einschränkungen zahlreiche Chancen. So könnten etwa ergonomischere Arbeitsplätze entstehen, eingeschränkte Sinneswahrnehmungen könnten durch technische Hilfsmittel ausgeglichen werden. Von diesen Vorteilen würden aber nicht alle Menschen mit Behinderungen gleichwertig profitieren, zeigte Kocher auf. Bei psychischen Einschränkungen oder Lernschwierigkeiten berge die Digitalisierung auch die Gefahr einer geringeren sozialen Einbindung.

Keynote von Arbeitsminister Martin Kocher. © Parlamentsdirektion / Johannes Zinner

Arbeitsminister Martin Kocher

Die Digitalisierung sei deshalb kein Allheilmittel, man müsse auf alle Gruppen Acht geben. Nicht zuletzt deshalb sei Inklusion weiterhin auf politische Maßnahmen angewiesen, so Kocher. Er führte den Erwerb neuer Kompetenzen durch bedarfsgerechte Schulungen als eine zentrale Maßnahme am Arbeitsmarkt an. Menschen mit Behinderungen seien daher ausdrücklich eine Zielgruppe der Corona-Joboffensive. Auch in Zukunft sei die Zusammenarbeit mit VertreterInnen von Menschen mit Behinderungen wichtig, um mehr Inklusion zu schaffen, so Kocher. Dafür wolle er sich einsetzen und damit die Zukunft der Arbeit für alle Menschen, die in Österreich leben, gestalten.

Inklusion ist unternehmerisch sinnvoll

Der CEO von Consumer Banking and Payments der Barclays-Bank Ashok Vaswani zeigte in seiner Keynote auf, warum die Inklusion von Menschen mit Behinderungen nicht nur moralisch geboten, sondern auch unternehmerisch sinnvoll ist. Er betonte, dass Behinderungen nicht nur in Extremen, sondern entlang eines breiten Spektrums existieren. Auch er habe etwa früher besser gesehen und sei jetzt bei schlechter Beleuchtung dankbar über die Taschenlampenfunktion auf seinem Smartphone. Die MitarbeiterInnen eines Unternehmens müssten deshalb die KundInnen entlang dieses großen Spektrums widerspiegeln. Nur so könnten alle Perspektiven eingebracht und auf die Bedürfnisse aller eingegangen werden, zeigte sich Vaswani überzeugt.

Nationalratsabgeordnete Kira Grünberg (ÖVP). © Parlamentsdirektion / Johannes Zinner

Nationalratsabgeordnete Kira Grünberg (ÖVP)

Nationalratsabgeordnete Fiona Fiedler (NEOS). © Parlamentsdirektion / Johannes Zinner
Nationalratsabgeordnete Fiona Fiedler (NEOS)

Verbesserungen über Innovationen und Überzeugung durch PraktikerInnen

Almanach Zero Project, © Parlamentsdirektion / Johannes Zinner

Die Rechte von Menschen mit Behinderungen können nur durch Innovationen vorangetrieben werden, zeigte sich Zero-Project-Initiator Martin Essl überzeugt. Er stellte den „Zero-Project-Almanach 2021“ vor, der auf 300 Seiten die Arbeit von Zero Project mit insgesamt 662 ausgezeichneten Innovationen dokumentiert. Weil herausragende Lösungen oft im Verborgenen blieben, wolle Zero Project eine globale Plattform und die Möglichkeit zur Vernetzung mit EntscheidungsträgerInnen bieten, so Essl.

Essl ging zudem auf die schwierige Situation von Menschen mit Behinderungen am Arbeitsmarkt ein. Er wies darauf hin, dass viele Menschen mit Behinderungen sich nicht als arbeitssuchend melden würden, weil sie nach den vielen Diskriminierungen und Frustrationen aufgegeben hätten. Dabei sei ein Job essenziell, weil er das Selbstverständnis eines Menschen ausmache. Er appellierte daher an die Unterstützung der EntscheidungsträgerInnen, um Teststellungen und Rahmenbedingungen zu schaffen, um die Wirkung der vielen Initiativen auch in Österreich umzusetzen.

Initiativen für eine inklusive Arbeitswelt

Drei internationale Initiativen zum Thema Arbeit – Inklusion – Informationstechnologie stellten sich heute im Rahmen der virtuellen Auftaktveranstaltung zur Zero-Project-Konferenz 2021 im Parlament vor. Den Präsentationen folgten Diskussionen mit den ProjektleiterInnen der Initiativen und zahlreichen ExpertInnen sowie VertreterInnen von „Zero Project“ und der Sinnbildungsstiftung.

Irland: Inklusion von Menschen mit Lernbehinderungen ins Berufsleben

Wie kann der Eintritt von Menschen mit geistiger Behinderung in die reguläre Beschäftigung gelingen? Das Geschäftsmodell des Trinity Centre for People with Intellectual Disabilities (Dublin) beruht auf einem Modell der Partnerschaft zwischen Förderern und Partnern, die das Programm finanzieren, aktuell sind es 36 Businesspartner aus verschiedenen Sektoren. AbsolventInnen des Colleges sollen nach einem Praktikum in einem Betrieb in Fixanstellung übernommen werden. CEO Marie Devitt verwies darauf, dass eine staatliche Finanzierung des „TCPID Graduate Internship Programme“ unabdingbar sei, die Unternehmen würden ergänzende Finanzierung leisten.

Das Zweijahresprogramm für StudentInnen mit geistiger Behinderung sieht an vier Tagen pro Woche 22 Module vor. Danach sollen sinnvolle Beschäftigungsmöglichkeiten gefunden werden, man konzentriert sich dabei auf Stärken und nicht auf Defizite. Arbeiten sind z.B. am Empfang, im Eventmanagement, im Gebäudemanagement oder bei der Post. Durch bezahlte Praktika werden wichtigste Fähigkeiten entwickelt. Maximal 20 Stunden pro Woche sind vorgesehen, freiwillige MentorInnen im Betrieb unterstützen die ArbeitnehmerInnen mit Behinderung. Diese sind stolz, arbeiten zu dürfen, die Arbeit vermittelt ihnen das Gefühl der Zugehörigkeit. Für 12 AbsolventInnen wurde seit 2017 eine permanente Beschäftigung gefunden.

Steiermark: Neue Lern- und Begegnungswelten in ländlichen Regionen

UnternehmerInnen, vor allem Handwerksbetriebe, suchen händeringend nach Lehrlingen. Auf der anderen Seite steigt die Jugendarbeitslosigkeit. Die aktuelle COVID-19 Pandemie verschlimmert die Situation für chancenbenachteiligte junge Menschen zwischen 11 und 25 Jahren speziell. Das Projekt „Neue Lern- und Begegnungswelten“ schafft innovative Lern-Räume in mobilen Containern, die in ländlichen Regionen in der Steiermark Jugendliche und regionale Unternehmen zum gemeinsamen Lernen vernetzen. Jede Box repräsentiert dabei eine Berufswelt. Das Projekt ist eine Kooperation der Regionalentwicklungsagentur Zeitkultur Oststeirisches Kernland mit der Chance B-Gruppe. Das Projekt sollte möglichst „kurios“ und für die Jugendlichen ansprechend sein, so Projektpräsentator Michael Longhino von Chance B. Zudem will man damit der Abwanderung aus dem ländlichen Raum entgegenwirken. Das Projekt kommt zu den Jugendlichen, daher gibt es keine Hindernisse bei mobilen Einschränkungen, so Präsentatorin Erika Reisenegger.

Präsentation Projekt: 'Lern und Begegnungswelten' durch Michael Longhino. © Parlamentsdirektion / Johannes Zinner

Michael Longhino

Projektziele sind die Stärkung der Berufswahl- und Selbstkompetenz und damit ein Rückgang von Praktikums- und Ausbildungsabbrüchen, die Entwicklung von positiven Erfahrungswerten sowie ein erleichterter Zugang zu potenziellen ArbeitgeberInnen bzw. Lehrlingen.

Kanada: Plattform zur Überprüfung der Barrierefreiheit

Menschen mit Behinderungen als ExpertInnen: In Kanada können Unternehmen im Projekt „Fable Tech Lab“ mit Menschen mit Behinderungen zusammenarbeiten. Die Unternehmen haben dabei Zugang zu Menschen mit Behinderungen als ExpertInnen für ihre Onlinepräsenz. Das Projekt funktioniert auf Abo-Basis, Unternehmen nehmen ein Abo, wenn sie Wert auf barrierefreie digitale Präsentationen legen.

„Fable“ möchte die digitale Trennlinie zwischen UserInnen mit und ohne Behinderungen lösen. Alle Menschen sollen zur Onlinepräsenz von Unternehmen Zugang haben. Im Fable Crowdtesting können sich Unternehmen mit ExpertInnen mit Behinderungen zusammenschließen, die ihre Produkte testen. Jeder Tester bzw. jede Testerin erhält dabei eine faire Belohnung für seine Tätigkeit.

„Wenn wir von Barrierefreiheit sprechen, sprechen wir von vollwertiger Teilhabe“, so Abid Virani, CEO von Fable Tech Lab. Menschen mit Behinderungen sollten eine sinnvolle Arbeit haben. Er wies auch auf die Pandemie als beschleunigendes Element für die Notwendigkeit von barrierefreien digitalen Angeboten hin.

Live zugeschalten: Abid Virani. © Parlamentsdirektion / Johannes Zinner

live zugeschalten: Abid Virani

Auch das Parlament sei verpflichtet, Standards auf barrierefreier Ebene einzubeziehen, betonte Parlamentsdirektor Harald Dossi in seinen Abschlussworten. Auch die Einbeziehung der Abgeordneten sei entscheidend. Das Hohe Haus stehe offen für weitere Veranstaltungen auf diesem Sektor.

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Quelle: Parlamentskorrespondenz