Palliativversorgung bei schwerer progressiver MS

Von schwer verlaufender, progressiver Multipler Sklerose betroffene Menschen haben meist über einen Zeitraum von vielen Jahren komplexe körperliche und psychosoziale Bedürfnisse. Da für die schwere Verlaufsform der MS nur wenige Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, mit denen sich eine weitere klinische Verschlechterung verzögern lässt, entwickelte ein Forschungsteam eine evidenzbasierte klinische Praxisrichtlinie für die Palliativversorgung.

männliche Hand hält weibliche Hand, Photo by Matheus Ferrero on Unsplash

Palliativmedizin fokussiert auf Schmerzlinderung und die Erhaltung der Lebensqualität. 

Die European Academy of Neurology hat am 29. Mai 2020 eine Leitlinie zur Palliativversorgung von Menschen mit progressiver Multipler Sklerose mit schwerem Verlauf veröffentlicht.

Die Multiple Sklerose (MS) hat einen unvorhersehbaren Krankheitsverlauf und zeigt sich in einer Vielzahl klinischer Erscheinungsformen. Rund 15 % der MS-Betroffenen haben von Krankheitsbeginn an einen progredienten Krankheitsverlauf (primäre progrediente MS, PPMS). 40 % der MS-Betroffenen entwickeln rund 15 Jahren nach dem Erstauftreten der Erkrankung eine progrediente MS mit rezidivierend-remittierendem Verlauf (sekundär progressive MS).

Die schwer verlaufende MS ist nicht einheitlich definiert, weshalb die Studienautorinnen und -autoren in ihrer Leitlinie zur Palliativversorgung zu Personen mit „schwerer MS“ Patientinnen und Patienten zählten, die eine konstante bilaterale Unterstützung wie Stock, Krücke oder Rollator) benötigen, um eine Strecke von 20 metern zu gehen, ohne sich ausruhen zu müssen. So kommt in der Richtlinie die erweiterte EDSS-Bewertung (Disability Status Scale) mit einem EDSS-Score ab 6,0 zum Tragen. Ein erheblicher Teil dieser Personen benötigt Hilfsmittel und kann infolge der Erkrankung von Aspirationspneumonie, Harnwegsinfekten, Komplikationen bei Stürzen und Frakturen sowie Sepsis infolge von Druckgeschwüren betroffen werden. Mithilfe der Leitlinie zur Palliativversorgung soll auf die komplexen und unterschiedlichen bio-psychosozialen Bedürfnisse von Personen mit schwerer MS reagiert werden, um eine weitere klinische Verschlechterung zu verzögern oder zu verhindern, wobei die Autorinnen und Autoren für Personen mit schwerer, progressiver MS die Bereitstellung einer Palliativversorgung zu Hause durch Allgemeinmedizinerinnen und -mediziner oder Fachärztinnen bzw. Fachärzte empfehlen.

A. Solari, A. Giordano, J. Sastre‐Garriga, S. Köpke, A. C. Rahn, I. Kleiter, K. Aleksovska, M. A. Battaglia, J. Bay M. Copetti, J. Drulovic, L. Kooij, J. Mens, E. R. Meza, Murillo I. Milanov, R. Milo T. Pekmezovic, J. Vosburgh, E. Silber, S. Veronese, F. Patti, R. Voltz, D. Oliver on behalf of the guideline task force: EAN guideline on palliative care of people with severe, progressive multiple sclerosis; European Journal of Neurology; First published: 29 May 2020; https://doi.org/10.1111/ene.14248